Chirurgische Eingriffe in Windows 98 Der Internet Explorer läßt sich offenbar vom Microsoft-Betriebssystem abkoppeln - Nun hat die juristische Haarspalterei begonnen Bill liebt alle Menschen, aber vor allem die, die Microsofts Browser Internet Explorer (IE) benutzen, scherzen die Kenner der Szene. So gesehen dürfte der Microsoft-Chef alle Anwender von Windows 95/98 mögen. Der Explorer ist ein fester Bestandteil des Betriebssystems und kann - laut Firmenangaben - nicht entfernt werden. Doch nun haben zwei Amerikaner demonstriert, daß sich der Browser sehr wohl entfernen läßt. Ausgerechnet ein Biologe schaffte das Kunststück. Weil Windows 98 auf seinem Pentium- 133-Megahertz-Computer zu langsam lief, war der Wissenschaftler an der University of Maryland, Shane Brooks, auf die Idee gekommen, das Betriebssystem zu verschlanken. Unter dem Projektnamen 98Lite startete Brooks die chirurgische Beschneidung des Betriebssystems um den Explorer. Dazu versuchte Brooks, die weniger speicherfressende Vorgängerversion des IE für Windows 95 auf Windows 98 zu installieren. Dazu entfernte er die drei Dateien ComDlg32.dll, Shell32.dll, und Explorer.exe. Die Übertragung der Win-95-IE-Dateien von der Installations-CD übernahm ein selbstgestricktes Miniprogramm. Um ganze 32 Megabyte schrumpfte Windows 98, und Brooks browste plötzlich doppelt so schnell durch das Internet. Die Frage nach der Trennung von Explorer und Windows ist auch ein wesentlicher Punkt im gegenwärtigen Kartellrechtsprozeß gegen Microsoft. Denn die automatische Auslieferung des Browsers bringt nach Auffassung von Kritikern Microsoft entscheidende Marktvorteile. Das jedoch, konterte der Softwareproduzent bislang, sei keine Absicht, sondern systembedingt. Doch auch bei der Vorgängerversion Windows 95, scheint die Eingliederung ins System nicht ganz so ehern zu sein. So konnte Computerwissenschaftler Edward Felten von der Universität Princeton vor einem US-Gericht bezeugen, daß er zusammen mit seinen Studenten die Versionen 3.0 und 4.0 des Explorer durch einen anderen Browser, nämlich den Navigator des Microsoft-Rivalen Netscape, ersetzen konnte. Um die entscheidenden Files aus dem Betriebssystem zu entfernen, programmierte das Felten-Team 600 Zeilen - und der IE war verschwunden. Doch selbst wenn der Explorer nicht mehr sichtbar sei, bleibe er nicht wirklich verschwunden, setzt Bill Gates dagegen. Nach Ansicht von Charles Rule, einem der gesetzlichen Berater von Microsoft, seien die für den IE ,,lebensnotwendigen" Files gleichzeitig für das gesamte Betriebssystem verantwortlich. Damit aber sei - auch wenn gar nicht mehr auf der Festplatte vorhanden - der IE nicht abtrennbar. Mark Murray, ein Sprecher von Microsoft in Redmond, Washington, sieht es noch anders: Niemand habe jemals behauptet, der IE sei nicht abzukoppeln. Doch die darunterliegende Softwareebene, die den Explorer de facto erst zum Laufen bringt, sei die gleiche wie für das gesamte System. Und daher ließe sich diese nicht einfach entfernen. Noch im Sommer bestätigte ein amerikanisches Gericht Microsofts Behauptungen und bezeugte dem Explorer die ewige Anbindung an das Betriebssystem. Doch nach der Entdeckung von Brooks und Felten ist das schon wieder Schnee von gestern. Der Professor aus Princeton sieht es pragmatisch: ,,Was uns mit wenigen Studenten gelang, kann Microsoft schließlich auch schaffen."