Anwendung der Exponentialfunktion in der Biologie
anhand ausgewählter Beispiele

1) Einleitung

1.1) Darlegung des Begriffs der Exponentialfunktion

Unter Exponentialfunktionen versteht man Funktionen des Typs y=ax. a heißt Basis und x Exponent [3]. x ist hierbei aus der Menge der reellen Zahlen, a ist größer 0. Die Funktion ist monoton wachsend, für a größer 1. Für 0 kleiner a kleiner 1 ist sie monoton fallend; für a=1 ist sie konstant.
Eine Besondere Eigenschaft der Exponentialfunktion ist es, daß ihr Zuwachs bzw. ihre Steigung proportional zu ihrem Betrag ist. Ist die Basis die eulersche Zahl e (=2.71828...) [3] so sind Betrag und Steigung der Funktion ex überall gleich dem Funktionswert.


1.2) Beschreibung von Wachstum

Wachstum, wie es in dieser Darstellung auftritt, behandelt die Zunahme der Population, d.h. die Vergrößerung der Anzahl der einzelnen Lebewesen. Diese Zunahme wird entweder durch Zellteilung oder Geburten bedingt. Das Wachstum wird in der Geburtenrate dargelegt.


2) Die Wachstumsfunktionen

2.1) Teilungsprozesse

2.1.1) Die Verdoppelungsformel

Jeder zellbiologische Teilungsprozess hat eine bestimmte Generationsdauer. Darunter versteht man die Zeit von einer Zellteilung zur nächsten. Bei jedem Teilungsprozess verdoppelt sich der Zellbestand. Dieser kann folglich mit 2 hoch Nummer der Generation bestimmt werden. Die Generationsnummer ergibt sich näherungsweise aus der seit Beginn der Betrachtung vergangen Zeit und der Generationsdauer, in dem die vergangene Zeit durch die Generationsdauer teilt.

P(t) ist die Größe der Population zum Zeitpunkt t
P0 ist die Größe der Population zu Beginn der Betrachtung
t ist die Zeit seit Beobachtungsbeginn
T ist die Generationsdauer

2.1.2) Wachstum von Bakterien

Die betrachteten Bakterien heißen Bacillus cereus, Bacillus subtilis und Serratia marcescens. Die Generationsdauern betragen 18.8 Min (bei 37C), 35 Min (36C) und 28 Min (35C) [1]. Den Verlauf des Wachstums kann man folgender Grafik entnehmen. Beginnt das Wachstum mit einer Zelle so verlaufen die nachfolgenden Teilungen im ``Gleichtakt''.


2.1.3) Teilungsprozeß von Protozoen

Im folgenden wird das Wachstum von verschiedenen Protozoen der Gattungen Amoeba vespertilio, Paramecium aurelia und Pelomyxa binucleata. Die Teilungsdauer dieser Gattungen beträgt 1 Std, 2 Std und 7.5 Std. Zum Zeitpunkt Null sind von jeder Gattung hundert Exemplare vorhanden. [1]


2.2) Wachstum bei konstanter Geburtenrate

2.2.1) Die einfache Wachstumsformel

Beim klassischen Wachstum geht man von folgenden Bedingungen aus [4]: Der Zuwachs der Population entspricht der Ableitung der Populationskurve zu einem bestimmten Zeitpunkt. Der Zuwachs ist unter den genannten Bedingungen proportional zum Bestand. Die Proportionalitätskonstante ist hierbei genau die Geburtenrate [4]. Es gilt:

P'(t) ist die Ableitung der Funktion P(t)
b ist die Geburtenrate (b > 0)

Als Lösung für die oben genannte Gleichung wird in der Literatur folgendes angegeben[4]:

2.2.2) Bevölkerungswachstum

Als Beispiel wird diesmal das Wachstum der amerikanischen Bevölkerung gewählt. Aus den Volkszählungen sind unten genannte Zahlen bekannt [4]. Mittels der Exponentialfunktion soll versucht werden von den frühen Jahren auf die Population in den späten zu schließen.

Jahr Population in Millionen
1790 3.939
1800 5.308
1810 7.24
1820 9.638
1830 12.866
1840 17.069
1850 23.192
1860 31.443
1870 38.558
1880 50.156
1890 62.948
1900 75.995
1970 203.185


P0 beträgt offenbar 3.939
Als zweiten Zeitpunkt betrachte man das Jahr 1830. Die Zeit seit Betrachtungsbeginn ist hier 40 Jahre:

P(40) = 12.866

Die Wachstumsrate errechnet sich folgendermaßen:

In der folgenden Grafik kann man die tatsächlichen Werte mit der berechneten Kurve vergleichen. Man sieht, daß bis zum Jahre 1860, also über 30 Jahre lang, die Prognose sehr exakt ist. Danach wird sie jedoch unbrauchbar. Für das Jahr 1970 würde eine Population von exp(0.0297*180) * 3.939 = 819.6, also ein vierfacher Wert.

2.3) Verhulst-Pearlsche Gleichung

2.3.1) Eigenschaften des beschränkten Wachstums

Bei längerfristiger Betrachtung wird das Anfangs exponentielle Wachstum durch das begrenzte Nahrungs- und Platzangebot begrenzt. In der Praxis hat es sich als sinnvoll erwiesen die Geburtenrate in Abhängigkeit der Population zu setzten. Die so korrigierte Wachstumsrate soll Null sein, wenn die maximale Größe der Bevölkerung erreicht ist, und soll gleich der ursprünglichen Geburtenrate bei niedriger Populationsgröße sein [4].

Pmax maximale Bevölkerungsgröße
c Korrekturfaktor: b-c * Pmax = 0

Die Verhulst-Pearlsche Gleichung lautet [2]:

2.3.2) Beschränktes Wachstum von Protozoen

Man betrachtet die bereits in 2.1.3 besprochenen Protozoen der Gattungen Amoeba vespertilio, Paramecium aurelia und Pelomyxa binucleata. Aus den Generationsdauern (1 Std, 2 Std und 7.5 Std [1]) müssen die Wachstumsrate pro Stunde berechnet werden, um sie in die Gleichung einsetzen zu können.

bAmoeba = 0.6931471
bParamecium = 0.3465735
bPelomyxa = 0.0924196


Die Einzeller befinden sich in Gefäßen in denen Nahrung für 10000 ihrer Art zur Verfügung gestellt wird. Zu Beginn der Betrachtung werden je 100 Wesen in ein Gefäß gesetzt.


2.4) Wachstum bei verzögertem Argument

Bei vielen Tieren besteht eine Zeitdifferenz zwischen Geburt und Geschlechtsreife. Dies kann man beim erstellen der Formel berücksichtigen, indem man die Geburtenrate nicht auf den Gesamtbestand, sondern nur auf den geschlechtsreifen Teil bezieht. Da in dem Modell keine Tiere sterben, entspricht dem geschlechtsreifen Teil der Population zum Zeitpunkt t genau die Größe der Population zum Zeitpunkt t-r, wobei r die Reifezeit ist. [2]

Diese Gleichung ist der ursprünglichen sehr ähnlich, läßt sich aber nur schwer in verständliche und anwendbare Form bringen.


3) Schluß

Wie ich in der Ausführung gezeigt habe, erweist sich das mathematische Modell als sehr Leistungsfähig, was die Vorhersage von Populationsgrößen betrifft. Die Exponentialfunktion fand Anwendung bei: Verdoppelung in konstanten Zeitintervallen, Wachstum mit konstanter Geburtenrate, Wachstum bei festgelegter Maximalbevölkerung. Ein häufiger Ansatz zur Ermittlung dieser Gleichungen ist es, den Bevölkerungszuwachs mit der aktuellen Bevölkerung in Beziehung zu setzten. Dieses Verfahren wird in der Mathematik als Differentialgleichung bezeichnet. Die einzelnen Schritte zur Lösung konnten leider, nicht zu letzt mangels eigenen Wissens, von mir nicht im einzelnen nachvollzogen und dargelegt werden. Aber ich hoffe, ich konnte doch die wichtigsten Überlegungen, die zur Formel führten, anschaulich darstellen.

Die hier von mir erläuterten Beispiele lassen auf den ersten Blick darauf schließen, daß sich biologische Vorgänge problemlos in mathematischen Formeln darstellen lassen. Die Schwierigkeit besteht jedoch darin, die in dieser Ausführung stets relevanten Einschränkungen in der Natur ausschließen zu können. Die streng exponentielle Vermehrung von Protozoen zum Beispiel findet in der genannten Form, wegen der zahlreichen Störungen, wie z.B. Temperaturschwankungen, schwankendes Nahrungsangebot, genetische Aberrationen und Einflüsse durch andere Lebewesen, nicht statt.


4) Quellenangabe

[1] Rainer Flindt
  Biologie in Zahlen
  4.Auflage, Stuttgart, 1995
[2] Nöbauer/ Timischl
  Mathematische Modelle in der Biologie
  Braunschweig, 1979
[3] Bearbeitet von Prof. Dr. Scheid
  Duden Rechenen und Mathematik, 1985
[4] ``The Growth of Population''
  http://www.dept.physics.upenn.edu/courses/gladney/
  mathphys/subsection2 1 2